Der Brabaker ist ein ganz eigener Menschenschlag, er unterscheidet sich in vielerlei Dingen von den borongläubigen Traheliern oder den „niederträchtigen“ Al’Anfanern. Deshalb widmen wir ihm diese Beschreibung, auf dass sein lebensfreudiges Wesen in allen Landen bekannt werde.

 

Phexen’s Gnade

 „...Der Brabaker spielt gerne und er spielt hoch. Und was mir seltsam erscheint: Es scheint ihm egal zu sein, ob er gewonnen oder einen Tageslohn verspielt hat...mir soll’s recht sein, einen zusätzlichen leichtverdienten Taler kann man immer brauchen...“

Helmar Bagosch, Steuermann aus Havena, ca. 1003 n. BF.

 

Das Glücksspiel ist in allen möglichen Arten in Brabak anzutreffen, ob in Form eines Würfelspieles unter Freunden nach einem langen Arbeitstag oder bei den Wetten auf den Sieger der Gladiatorenkämpfe. Sogar die Reichen und Mächtigen treffen sich gelegentlich und spielen um Geld, Land oder sogar ihre Schuldknechte. Dazu kommt, das der Brabaker normalerweise ein guter Verlierer ist, ganz nach dem Grundsatz: „Morgen ist auch noch ein Tag!“

 „...denn wie überall im Süden lässt es sich auf den Märkten Brabaks ausgezeichnet feilschen. Doch hier geht es weniger um Heller und Kreuzer, sondern darum ein Schwätzchen zu halten,  einen Witz anzubringen, sich gegenseitig etwas kennenzulernen. [...] Genauso gilt es als unhöflich, nach abgeschlossenem Handel das Geld nachzuzählen, wo man sich doch gerade so  nahegekommen ist. Doch hier ist Vorsicht angebracht, besser man riskiert einen raschen Blick und überschlägt sein Wechselgeld, als dass einen ein listiger Brabaker über Ohr haut!“

Fredo Gerbensen, ein Händler aus Festum, ca. 1020 n. BF.

 

Der Handel spielt natürlich eine große Rolle in einem Land, das so sehr von Transithandel abhängig ist. Aber leider muss in diesem Zusammenhang auch die relativ hohe Kriminalitätsrate erwähnt werden, die Aufgrund der sozialen Not  (die vor allem die armen Städter trifft) entstanden ist. Oft treiben sich auch Banden von geflohenen Schuldknechten und anderen kriminellen Elementen in den ländlichen Regionen herum und überfallen kleine Dörfer oder einzelne Plantagen und gehen dabei ungemein rücksichtslos vor. Genauso verbreitet sind die „Strandpiraten“, die ahnungslose Schiffsbesatzungen mit Irrfeuern ins Verderben (in diesem Fall Riffe und die Klippen um Kap Brabak) locken um sich dann an der Ladung des aufgelaufenen Schiffes gütlich zu tun. Meist sind diese Strandpiraten tagsüber „ehrbare“ Fischer die sich des Nachts ein nettes Zubrot verdienen.

 „Die Reichen sterben vor Angst, die Armen vor Hunger.“, so sagt man in Brabak.

 

Toleranz zwischen den Rassen

 „..wenn du einmal das Feuer und das Temperament einer Mulattin erlebt hast, wirst sogar du alter Holzkopf verstehen, warum sie bei allem fahrendem und vor allem männlichen Volk so begehrt sind. Diese anmutige Gestalt...sie sind wahrlich von Rahja gesegnet...“

Helmar Bagosch, Steuermann aus Havena, ca. 1003 n. BF.

 

Trotz der früheren Sklaverei, bei der viele der Waldmenschen auf den Plantagen der Guther­ren arbeiten mussten, waren es wohl vor allem die männlichen Siedler, denen weibliche Schönheit egal welcher Hautfarbe willkommen war. Und so begann die Vermischung der beiden Blutlinien, deren Ergebnis jedem Besucher aus nördlicheren Gefilden wohl als erstes ins Auge fällt. Etwa 70-80% der Bevölkerung hat eine mehr oder weniger ausgeprägte „braune“ Hautfarbe und eher dunkle Haare, die deutlich von ihrem Erbe künden.

Trotz der theoretischen Gleichstellung nach der Abschaffung der Sklaverei ist es jedoch sehr deutlich zu erkennen, dass Macht, Einfluss und vor allem Reichtum bei den mit wenigen Ausnahmen (die oftmals ihr Erbe zu verdrängen suchen, wie z.B. die Bocadilios) weißen Fa­milien liegen, während die überwiegende Mehrheit der „farbigen“ Bevölkerung mit niederen Arbeiten vorlieb nehmen muss, wie zum Beispiel als Tagelöhner oder Bedienstete.  Denn nach der Abschaffung der Sklaverei waren die Plantagenarbeiter frei — frei in Armut zu le­ben, ohne Zukunft oder Perspektiven.

Aber eines verbindet die altreichischen Kolonisten, nordländischen Einwanderer und Mohamischlinge - die gemeinsame Sprache! Das Brabaci, eine Mischform aus altem Bosporano, neuem Garethi, tulamidischem Kauderwelsch und speziellen Begriffen der Waldmenschensprache und wird nicht nur in Brabak gesprochen, auch in Al’Anfa (dort natürlich selbstherrlich Al’Anfani genannt), Chorhop, Sylla (dort mit mehr tulamidischem Wortschatz), Charypso, Mengbilla (auch hier nicht Brabaci genannt) und sogar im Kemi-Reich (hier mehr inoffiziell, da neuerdings das Kemsche Amtsprache ist) ist es verbreitet.

Selbst bei der Partnerwahl kann folgender Ausspruch eines brabaker Kaufherren als allgemein gültig betrachtet werden: „In Brabak sucht man sich zum Heiraten jemand mit hellerer und zum Vergnügen jemand mit dunklerer Hautfarbe“. Aber dennoch kann der Besucher feststellen, dass sich die „Mohas“ an ihren ehemaligen Herren auf subtile und völlig andersartige Weise „gerächt“ haben. Viele der „typischen brabaker Traditionen“, wie zum Beispiel die rauschenden Rajahfeste oder die Liebe zur Musik und zum Tanz sind eindeutig auf einen waldmenschlichen Ursprung zurückzuführen.

Auch der eigenwillige tanzartige Stil des H’ruruzat,  das „Combaila“, der von den Mulatten gepflegt wird stammt aus der Sklavenzeit als ihnen alle Kampfübungen bei schwerster Strafe verboten waren. Hierzu ein Zitat eines unbeteiligten Beobachters:

 

„...schwere, mit Ziegenfell bespannte Holztrommeln geben den Ton an. Hinein mischt sich das Surren eines einsaitigen Musikbogens und das scheppernde Schellentamburin. Die Männer in den weißen Hosen stehen im Kreis, lassen die dunkelbraunen muskulösen Oberkörper zucken. Im Wechselgesang mit dem Vorsänger preisen sie zwölfgötterliche Heilige und anscheinend mohische Götzen. Zwei der Männer treten in den mit Muscheln begrenzten Kreis. Haarscharf wirbeln die Beine über den Kopf des Gegners. Wie ausschlagende Pferde verteilen sie gegenseitig Fußstöße. Katzenartig weicht der Gegner aus. Tritte stoppen nur einige Fingerbreit vor den Muskelpaketen des Gegenübers. Der Takt wird schneller. Wie Affen schleudern beide im Rückwärtssalto über den Sand.“

Aus einem Reisebericht des Hilgerd Bodiak, Hesindegeweihter aus Kuslik, ca. 1018 n. BF

 

Tanz, Kampf, Religion, Körperschule und Beweglichkeit - das „Combaila“ formt daraus eine eigene Disziplin. Jeder Rhythmus hat Bedeutung. Der Kampftanz, entstanden aus der gewaltlosen Selbstverteidigung der Sklaven (die hierzu auf ihr Wissen über das H’ruruzat zurückgriffen), folgt einer strengen Choreographie. Entlaufene Sklaven entwickelten die Körperschule in ihren Zufluchtsorten in unzugänglichen Gebieten weiter. Nach Abschaffung der Sklaverei war das „Combaila“ zunächst verboten, doch unbeirrt  trafen sich „Combailaristas“ weiter an ihren Kampfplätzen und ließen sich durch keinen Gardisten beeindrucken. So wurde das „Combaila“ drei Jahre nach dem Verbot wieder erlaubt und wird seitdem traditionell von den Eltern an ihre Kinder weitergeben.

 

Kirchen und Glauben

 „...allenthalben kannst du vor allem weiter drinnen im Lande kleine Schreine oder Tempel erspähen. Zunächst denkest du, was für ein gläubiges Völkchen sind diese Brabaker doch, aber dann bemerkst du es erst: die Menschen beten gar nicht zu den wahren Zwölfgöttern, sonder huldigen gar oft mohischen Götzen und anderen sogenannten „Gottheiten“, von denen noch nie ein götterfürchtiger Mittelreicher etwas vernommen hat. So viel zum starken Glau­ben der Brabaker!“

Fredo Gerbensen, ein Händler aus Festum, ca. 1020 n. BF.

 

Das Völkchen am Südkap zählt wirklich zu den religiösesten in Aventurien, allerdings gelten ihre Anstrengungen nicht immer dem, was den Kirchenoberen der Zwölfgöttlichen Kirchen gefallen würde. In kaum einem anderen Land gibt es so viele kleine Kulte und Sekten, wie in Brabak. Manche beziffern den Anteil dieser Religionen von etwa einem Sechstel bis zu einem ganzen Viertel der Gesamtbevölkerung! Dazu kommt noch die Angewohnheit vieler „offiziell Zwölfgöttergläubiger“ Brabaker, quasi „nebenbei“ noch einigen dieser Kulte zu huldigen, getreu den Grundsätzen, dass man sich es mit keinem verderben möchte, weil das Leben so schon hart genug ist und der Tatsache, dass man immer Kompromisse finden kann. Die Dunkelziffer lässt sich also kaum abschätzen.

Diese Tendenz wird natürlich durch die fehlende Präsenz der Praioskirche noch begünstigt, zumal diese Brabak schon gänzlich abgeschrieben zu haben scheint (hierzu ein Zitat der „Wahrers der Ordnung“ zu Gareth: „Die Brabaker?!? Bei denen ist sowieso schon alles verlo­ren...“ [Anm. d. A.: Das hat er wirklich gesagt, sogar zu uns persönlich, natürlich auf Bilstein...]) und im Moment mit drängenderen Problemen zu kämpfen hat als dem kleinen Reich im Süden. Aber man darf trotz allem nicht vergessen, dass Brabak die größte Zwölf­göttliche Gemeinde des Südens beherbergt (immerhin mehr als 60.000 Gläubige) und sogar der Sitz des Meisters der Brandung, Emmeran Tralloper, ist.

 

Es gibt immer einen Weg...

 „...was soll das heißen, „es gibt keinen Ausweg mehr“? Warum nur gebt ihr Nordländer immer gleich auf? Los, folgt mir...“

Titio, ein 14-jähriger Taschendieb aus Brabak, ca. 1002 n. BF.

 

Die ganze Lebensweise in Brabak ist auf den Augenblick gerichtet, denn wer arm ist kann nicht planen, und wer reich ist braucht es nicht, die Mittelschicht im Lande ist sehr klein. Der Nordländer hat da andere Sorgen. Er muss an den nahenden Winter denken, immer sparen und planen, wodurch er nach der Meinung der Brabaker nur von Leben selbst abgelenkt wird. Aus dieser Idee entsteht die Spontanität und Kompromissbereitschaft, für die Brabak berühmt ist. Es gibt immer einen Ausweg, immer das gewisse „etwas“, der Trick, die Kunst, Unmögliches Möglich zu machen. Es hilft einem, den Büttel zu überzeugen oder jeden Tag auf neue seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wer da auf althergebrachtem herumreitet, sich dem bunten Lebenspuls verschließt, der gilt bald als stur und wird gemieden. Doch bei aller Kompromissbereitschaft lässt sich auch ein Brabaker nicht leicht über den Tisch ziehen, denn ein Kompromiss kann nur bei beiderseitigen näherkommen zu Stande gebracht werden.

 

Familie

 „...mit dir kommen!? Aventurien entdecken!?...Ich kann nicht mit dir kommen, was wird denn dann aus meiner Familie?“

Titio, ein 14-jähriger Taschendieb aus Brabak, ca. 1002 n. BF.

 

 Die Familie ist einem Brabaker sehr wichtig. Auf dem Land gibt die Großfamilie den sozialen Schutz, der im Falle von Krankheit, Versehrtheit oder Alter die Versorgung sichert. Gerade das Elend in den Hüttensiedlungen der Ärmsten rings um die Hauptstadt und die anderen grö­ßeren Siedlungen beruht darauf, dass die Landflucht Familien getrennt hat und gerade Ju­gendliche und Kinder schutzlos auf sich alleine gestellt sind. Ihnen bleib oft nichts anderes übrig, als zu betteln oder zu stehlen, wenn sie nicht verhungern wollen.

Aber auch am Beispiel der großen Grandenfamilien  kann man erkennen, dass Blutsbande sogar höher stehen als Treueide gegenüber seinem Herren. Dieser Umstand macht gerade dem König sehr zu schaffen, obwohl sie andererseits auch die Grundlage der Macht der DeSylphur darstellen. 

 

Feste, Musik und Lebenslust

 „Weißt du, kein anderes Völkchen, dass ich kenne, ist dem rahjagefälligen Glück des Augen­blickes so zugewandt wie das der Brabaker. Seine Fähigkeit, die triste Vergangenheit und die düstere Zukunft zu vergessen und der Gegenwart das Beste anzugewinnen, ist das wahre Geheimnis der brabaker Seele! Denn ein Grund zum Feiern findet sich bei ihnen immer: mit ein paar Humpen Bier oder etwas Rum, brutzelnden Fleischbrocken über dem Feuer und der Laute in der Hand. Dann gegessen, gesungen und musiziert bis spät in die Nacht, mit einer Lebensfreude, die dem Nordländer fremd ist...“ 

Fredo Gerbensen, ein Händler aus Festum, ca. 1020 n. BF.

 „...und ihr müsst unbedingt einmal zum Rahjafeste in Brabak oder wenigstens in einem der anderen Küstenorte gewesen sein! Jedermann und Jederfrau kleidet sich in mehr oder weni­ger prächtige Kostüme, je nachdem wie viel die Geldkatze zulässt. Ob als wildes Ungeheuer oder schöne Prinzessin, Jung oder Alt, Hübsch oder Hässlich, es ist der Triumph des Lebens und der Lust über Leid, Armut und Frust des Alltags. Ein wahrhaft ergreifendes Schauspiel, der schönste Jubel der Brabaker Seele....“

Hilgerd Bodiak, Hesindegeweihter aus Kuslik, ca. 1018 n. BF

 

Es gibt keinen Brabaker, sie sind so verschieden wie die Landschaften, in denen sie Leben. Nimmt man die Fremden gegenüber verschlossenen Bewohner der Gebiete des tiefen Urwalds oder der Sümpfe, kann man nicht glauben, dass ihnen die gleiche Lebensfreude inne wohnt wie den Bewohnern der sonnigen Küstenstriche. Und doch ist ihnen alle der „kleine Unterschied“ gemeinsam, dieser spezielle Ausdruck purer Lust am Leben, egal wie widrig die Umwelt auch sein mag. Es gibt immer einen Grund, weiterzumachen und zu genießen. Die Vitalität und das Temperament der ehemaligen Sklaven liegen ihnen immer noch im Blut, und die Rahjafeste gleichen einer ungestümen und sinnlichen Explosion dieser Mentalität. Aus höfischen Maskenbällen und Sklavenfesten entstanden, bei denen sich die „sklavischen“ Rhythmen und bunten Phantasien durchsetzten, sind sie der kulturelle Kosmos des Landes. Aus der ursprünglich rein sozialen Betätigung, die das musizieren bei den Waldmenschenstämmen heute noch ist, wurde in den Generationen der Sklaverei ein Trauergesang um die verlorene Freiheit, und später eine Art trotziges Festhalten an der Freude zu leben, eine Weigerung sich brechen zu lassen, voll mitreißender Rhythmen und Musikalität, die tiefe Gefühle wie Sehnsucht, Heimweh und manchmal auch Traurigkeit ausdrückt.

 

„...energische Trommelschläge hallen hart von den Fassaden. Voller Wucht scheppern die Stöcke auf die mit Ledergurten um die Hüfte gebundenen Trommeln. Tiefes Dröhnen stoßen die fassgroßen Surdotrommeln aus. Vorne hüft ein ‚Dirigent’ mit wilder Haarpracht. Handzeichen und Tonpfeife ersetzen den Taktstock...“

Timor Assonza, Kapellmusiker aus Belhanka ca. 1010 n. BF

 

Das kulturelle Erbe der mohischen Vorfahren, ursprünglich rituelle Trommelrhytmen um die Götter zu beschwören, wurde in der neuen Heimat abgewandelt und mit neuen Einflüssen durchmischt. Rau, aufwühlend geht der Rhythmus durch Mark und Bein.

Eine andere typische Erscheinung kann man allerorten, aber vor allem im Westen antreffen: phantastische Gestalten, in gelbes oder rötlichbraunes Leder gekleidet, auf dem Kopf einen helmartigen, hartledernen Hut, der sie wie urzeitliche Krieger aussehen lässt. Zu Fuß oder zu Pferd unterwegs, mit dem Haumesser an der Seite und einen Leinensack, der die „Viola“ ,einer sechssaitigen Laute spezieller Form, enthält, ziehen sie durch das Land, die „Cantadóres“. Sie sehen sich als von den Göttern berufene Dichter und Sänger, die der Wahrheit und der Gerechtigkeit dienen, den Menschen Neuigkeiten bringen und den Lauf Deres  kommentieren. Durch Hungersnöte oder dem Hundeleben unter der harten Knute ihrer Herren getrieben gingen diese Menschen auf Wanderschaft, und mancher von ihnen kam weit über die Grenzen des Landes hinaus und gelangte auf seinen Reisen durch Aventurien zu unerwarteten Erlebnissen und Einsichten

Und so stammt von einem ihrer Zunft folgender Ausspruch, mit dem wir schließen mögen:

 „Gegen Brabak wirkt der Norden wie ein Museum der Vergangenheit mit Blick in die Zukunft, unser Königreich hier im Süden selbst aber wie der bunte Zirkus des Lebens.“