Doña de B'waan

"Wer am heiligen Tag des Efferd geboren wurde, ist schon etwas besonderes." wie oft tröstete die Großmutter die kleine Frenja mit diesen Worten, wenn dem Mädchen etwas misslang.  Sie wuchs bei ihrer Großmutter auf, die Mutter starb im Kindbett. Etwas besonderes war und ist Frenja unter anderen Thorwalern nicht. In fernen Ländern fällt sie jedoch auf:

Wilde ungezähmte rubinrote Locken rahmen das ebenmäßige, wenn auch raue, wettergegerbte Antlitz ein. Man könnte Frenja als gutaussehend bezeichnen, wäre da nicht die lederne Augenklappe mit dem eingesteppten Pottwal über dem linken Auge; um so mehr  funkelt das rechte smaragdgrün. Ihre durchaus kräftige, ausladende Figur hüllt sie gern in feste Stiefel und Hosen aus schwarz-gegerbten  Leder. Das Leder ihrer Krötenhaut schimmert rot zwischen den engen Nieten hervor und ergänzt hervorragend das Rot ihrer Haarpracht.
Alles in allem geht man Frenja schon gern aus dem Weg, wenn sie in fremden Häfen mit ausladenden Schritten von Bord ihrer Otta stampft und auf das nächste Kontor zusteuert.  Scheinbar will niemand 1,90 Schritt puren  Thorwalerblutes im Weg stehen. Orknase und Skraja in Lederschlaufen am Gurt tun das ihre. Die Verhandlungen mit Frenja beschreiben ihrer Geschäftspartner als hart, laut, feuchtfröhlich, jedoch nie ungerecht. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass Frenja vorzugsweise mit Premer Feuer handelt und immer einen Krug zu Verhandlungen mitnimmt; als "Kostprobe" sozusagen...
Frenja verlor das Licht ihres linken Auges bereits vor zehn Götterläufen bei einem Kampf, als eine Schar skrupelloser Piraten aus Daspota das kleine Schiff ihres Vaters überfielen, welches sich auf dem Weg von Prem nach Thorwal befand. Der Kampf sechs gegen zwanzig schien aussichtslos. Jedoch wüteten Frenja und ihr Vater Torben derartig unter den Piraten, dass diese fluchtartig ihren Enterangriff abbrachen und davon segelten.  Der Hieb eines Entermessers, der Frenja das Augenlicht kostete, nahm sie im ersten Augenblick nicht wirklich war, zu sehr trauerte sie um ihren Vater, der zu schwer verletzt war, um noch gerettet zu werden.

Einer Dorf- oder Schiffsgemeinschaft fühlte sich Frenja nie wirklich zugehörig. Lieber zog sie nach Vorbild des Vaters von Hafen zu Hafen und handelte. Die Mannschaft ihres Drachenschiffes variiert bis auf drei Ausnahmen  (NPC):

Den Zwillingen Ragnar und Ansgar, zwei gestandenen Thorwaler Piraten, die Frenja als Leibwache dienen. Meist genügt es, wenn die beiden, sollte sich ein Streit andeuten, wortlos hinter Frenja stellen, um jedes Widerwort im Keim zu ersticken. Ragnar erwies sich auch als guter Steuermann, während Ansgar mehr der Navigation zugewandt ist.  Etwas aus dem Rahmen fällt Alina, eine zierliche Person aus dem Bornländischen,  die ihres Lebens als Schreiberin und Kontoristin in Festum überdrüssig, Frenjas Angebot annahm, ihr die Bücher zu führen. und "endlich etwas von der Welt zu sehen."
Seit sechs Götterläufen sind diese vier unzertrennlich und durch "Wort und Pfand" aneinander gebunden. Das ist jedoch keine Last, sondern sehen es die vier als Bereicherung. Hinzu kommt vielleicht auch noch, dass Ragnar ganz heimlich in Frenja verliebt ist, und Ansgar angefangen hat, Alina schöne Augen zu machen...

Alina und Frenja verbindet eine Freundschaft, die "nur Frauen verstehen können", wie sie selbst immer wieder kichernd feststellen und die Zwillinge damit zur Weißglut treiben können. Frenja ist im vertraulichen Gespräch mit Alina ganz natürlich und scheint nichts mehr gemein zu haben mit der harten Händlerin im Alter von 29 Götterläufen.

Die letzte Fahrt Frenjas endete in einer Katastrophe, als das völlig überladene Schiff mit der neuen, nicht eingespielten Besatzung irgendwo östlich von Brabak in einen Sturm geriet und kenterte. Nur die vier Vertrauten und drei Matrosen überlebten das Unglück und strandeten im Königreich Brabak. Frenja war guten Mutes. Sie erinnerte sich an Geschichten ihres Vaters, wonach ein entfernter Vetter von ihm namens Raskir im Brabakischen  Hetman, Baron oder so etwas ähnliches sein sollte. Vielleicht hätte dieser einen Auftrag für eine tüchtige Händlerin...

Die ersten Monate nach dem Schiffbruch waren nicht leicht für Frenja und ihre Getreuen. Es war wie verhext. Ein neues Schiff zu übernehmen schien aussichtslos ohne genügende Geldmittel. Raskir schien zwar erfreut, von der Verwandtschaft in Thorwal zu hören, hatte aber sofort auch keine passende Lösung zur Hand. Alina hatte es als Schrift- und Rechenkundige einfacher. So manchen Tag lebten die vier Getreuen von dem was Alina als Schreiberin verdiente. Frenja, Ragnar und Ansgar verdingten sich als Tagelöhner, jedoch war es selten, dass die drei arbeiten konnten.

Frenja schien weiterhin optimistisch und sollte damit recht behalten. Ein Bote Raskirs erreichte sie mit einer Nachricht, sie möge sich umgehend nach Nardis begeben.
Das Ende des folgenden Gesprächs wird Frenja ihren Lebtag nicht vergessen.

"...ganz der Vater, das ist gut. Nun Frenja Torbensdottir, ich habe eine Aufgabe für Dich. Ich übertrage dir die Verantwortung für das Donario B'waan, wenn du willst.
Es ist, wie soll ich es ausdrücken, in einem etwas desolaten Zustand.
Ich brauche eine starke und ehrliche Hand dort. Und wer wäre besser dafür geeignet als die Tochter des ehrlichsten Händlers, den ich kannte.
Ich biete Dir B'Waan als Lehen an, verbunden mit allen Rechten und Pflichten die du als Dona hast. Doch sei Dir bewusst, du schwörst einen Eid. Einen Eid auf mich, meinen Lehensherrn und nicht zuletzt auf unser Reich: Brabak! Dies wird Deine neue Heimat sein und Thorwal liegt hinter dir. Nun nimmst Du an?"
Frenja stand mit offen Mund da. Ausgerechnet sie sollte adlig werden? Ausgerechnet sie sollte die Geschicke eines ganzen Dorfes leiten? Sie blickte fragend zu Alina. Diese zwinkerte ihr zu und nickte unmerklich Dann sah Frenja in die grinsenden Gesichter der Zwillinge. Mit leicht zitternder Stimme wandte sie sich an Raskir:
"Ich nehme an, das wohl! Bei Swafnir, ich werde Dich nicht enttäuschen."

Und so wurde aus der fahrenden Händlerin die Herrin von B'waan:

Doña Frenja Torbensdottir de B'waan.

Text: Thomas Hohnke